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Außenpolitik Union streitet über Putin

Wie hält es Putin mit den Menschenrechten? Der Russland-Beauftragte der Bundesregierung verurteilte Moskaus Machthaber in einem Papier scharf - und wurde nicht nur vom Außenministerium zurückgepfiffen, sondern auch von CDU-Kollegen gerügt. In der Union ist nun ein offener Streit entbrannt.
Putin bei seinem Besuch im Juni mit Merkel in Berlin: Schwierige Beziehungen

Putin bei seinem Besuch im Juni mit Merkel in Berlin: Schwierige Beziehungen

Foto: Tobias Schwarz / REUTERS

Berlin - So viele positive Nachrichten über die deutsch-russischen Beziehungen gab es lange nicht mehr. Gerade wurde die vorzeitige Fertigstellung der Ostsee-Pipeline gefeiert, die das russische Gas künftig ohne Umwege nach Deutschland bringt, in Berlin hat jüngst Bundespräsident Joachim Gauck die Ausstellung "Russen und Deutsche - 1000 Jahre Geschichte, Kunst und Kultur" eröffnet.

Doch von Schönwetter kann keine Rede sein. Es gibt viel, was die deutsche Seite an Russland zu kritisieren hat - die Aktionen gegen Oppositionelle, die mangelnde Rechtsstaatlichkeit, die prekäre Lage der Menschenrechte, zuletzt der weltweit beachtete Prozess gegen die Punk-Gruppe Pussy Riot.

Das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau ist heikel. Schon bald wird Angela Merkel Gelegenheit haben, die beiderseitigen Beziehungen zu würdigen: In rund zwei Wochen werden in Berlin 60 Jahre Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft gefeiert, die Kanzlerin soll eine Rede halten, Russlands Präsident Wladimir Putin per Video zugeschaltet werden.

Doch es gibt Streit über das deutsch-russische Verhältnis. Auslöser ist ein Entwurf für einen Entschließungsantrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, den der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Andreas Schockenhoff, auf den Weg gebracht hatte. Der CDU-Politiker wollte darin die Politik Putins deutlich kritisieren - mit dem Hinweis auf dessen Konzept der "gelenkten Demokratie" und auch mit einem Passus, wonach "politisch aktive Bürger von der Staatsmacht nicht als Partner, sondern als Gegner verstanden" werden.

Schlechte Stimmung unter Unionsaußenpolitikern

Doch der Antrag wird so nicht ins Parlament kommen. Wenn er denn überhaupt noch kommt. Die besonders kritischen Passagen sind entfallen, Schockenhoffs Papier wurde von Beamten des Auswärtigen Amtes geglättet.

Das sorgt für schlechte Stimmung. Über den Eingriff aus dem Hause Westerwelles zeigte sich ein Mitarbeiter des Russland-Beauftragten in einer internen E-Mail empört. Er verwahrte sich gegen die sprachlichen Überarbeitungen und Streichungen. Das Auswärtige Amt will den Vorgang nicht kommentieren. Nur so viel erklärt ein Sprecher Westerwelles: "Über Entschließungsanträge entscheidet der Bundestag allein. Für Außenminister Westerwelle ist klar, dass die Russland-Politik von Partnerschaft und Offenheit geprägt sein muss, in der auch kritische Dinge angesprochen werden können und müssen."

Der Fall ist jedoch nicht nur ein Konflikt Schockenhoffs mit Westerwelles Amt und damit dem Koalitionspartner FDP. Der Streit geht viel tiefer: Das Papier des Vizefraktionschefs offenbart die Schwierigkeiten in Union und Koalition in der Frage, wie mit Putin umgegangen werden soll. Erst vor wenigen Tagen hatte Bundespräsident Gauck das Problem umrissen. Die Partnerschaft solle man als "Basis für den offenen Umgang miteinander" nutzen, dies müsse auch dort gelten, "wo wir nicht übereinstimmen, auch dort, wo wir kritisch beim anderen nachfragen".

CDU-Politiker distanziert sich von Schockenhoff

Der nächste Testfall kommt im November. Dann stehen in Moskau die deutsch-russischen Regierungskonsultationen an. Der Riss über den angemessenen Umgang geht quer durch das Lager der Außenpolitiker in der Union. Vor rund zwei Wochen wurde Schockenhoffs Papier in einer Sitzung der Unionsarbeitsgruppe Außenpolitik kritisiert. Damals hätten sich die Abgeordneten Peter Gauweiler (CSU), der außenpolitische Sprecher Philipp Missfelder und der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann gegen den Entwurf ausgesprochen, der Außenpolitiker Joachim Hörster habe sich skeptisch gezeigt, heißt es. Für den Entwurf seien außer Schockenhoff der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz, und Norbert Röttgen, Ex-Umweltminister, gewesen.

Der Ärger über Schockenhoff sitzt tief. Er habe die eigenen Leute "überrumpelt", heißt es, und bei der Vorstellung seines Antrags noch auf die Unterstützung des Kanzleramtes verwiesen. Doch das Kanzleramt habe die Unionsaußenpolitiker wenig später wissen lassen, dass der Entwurf keineswegs mit ihnen abgestimmt sei. "Das Kanzleramt hat offenbar gemerkt, welche Brisanz das hat und kalte Füße bekommen", sagt ein Unionspolitiker.

Kommende Woche wird das Thema erneut in der Unionsarbeitsgruppe besprochen. "Die Fronten sind verhärtet", heißt es auf die Frage, ob der Entwurf überhaupt noch in den Bundestag kommt. Mancher hatte schon überlegt, in der Arbeitsgruppe und in der Fraktion gegen das Schockenhoff-Papier zu stimmen und der Abstimmung im Bundestag dann fernzubleiben. Das vom Auswärtigen Amt überarbeitete Papier enthält nun einen Passus, der Russland würdigt - als "zentralen und unverzichtbaren Partner für Deutschland und Europa" und auch als "wichtigsten Energielieferanten Europas". Zwar blieben Kritikpunkte durchaus enthalten - wie etwa zur Gefängnisstrafe für die drei Bandmitglieder von Pussy Riot oder zur Anklage gegen den Oppositionellen Alexej Nawalny. Doch insgesamt fällt der Tenor milder aus.

CDU-Außenpolitiker Wellmann verteidigt offen die Glättung: "Wir sollten uns hüten, auf einen Konflikt mit der Bundesregierung hinzusteuern", sagt er und verweist auf die kommenden bilateralen Großereignisse mit Russland. Die Politik der Bundesregierung sei es, sich um gute Beziehungen zu Moskau zu bemühen. "Wir sollten dabei", kritisiert er Schockenhoffs Papier, "keine unnötigen Konflikte kultivieren."