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US-Republikaner Romney in Europa Tour de Fettnapf

Die Palästinenser werfen ihm Rassismus vor, die Briten sind sauer, Polens Solidarnosc mag ihn nicht: US-Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hat in Europa und Nahost eine Woche der Pannen und Patzer hingelegt.

Washington/Hamburg - Am Ende mühte sich Mitt Romney, seinem Europa-Abenteuer noch Positives abzugewinnen. Es sei eine Lehre gewesen, wie das Leben so spiele: "Ablehnung auf die eine oder andere Art ist ein wichtiger Bestandteil im Leben eines jeden."

Diese allgemeine Wahrheit ist keineswegs die aktuelle Erkenntnis des republikanischen Präsidentschaftskandidaten nach seiner verpatzten Europa-Tour. Nein, sie stammt aus den Sechzigern, aus jenen zweieinhalb Jahren, in denen Romney als Missionar der Mormonen-Kirche in Frankreich unterwegs war. So berichten es seine Biografen Michael Kranish und Scott Helman. Letztlich habe er gerade mal "zehn bis zwanzig" Franzosen für seinen Glauben gewinnen können.

Ein paar Jahrzehnte später läuft es in Europa nicht wirklich besser für Romney. Egal ob er England, Israel oder Polen besucht, nichts läuft rund. Das Ergebnis: Ablehnung auf die eine oder andere Weise. Und diese Tour de Fettnapf hat er sich selbst zuzuschreiben.

Dumm gelaufen

Bezeichnend, dass Romney-Sprecherin Andrea Saul auf der an diesem Dienstag endenden Reise von Beginn an auf Defensive schalten musste, wo doch der Trip den Kandidaten in die Offensive bringen sollte. Es ist anders gekommen. Mal ließ Frau Saul den Worten ihres Chefs einige Nachsorge zukommen ("grob falsch interpretiert"), mal dementierte sie komplett ("nicht wahr").

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US-Republikaner: Romneys Pannentour durch Europa

Foto: Charles Dharapak/ AP

Erst brüskiert Romney die Briten, als er ihre Vorbereitung auf die Olympischen Spiele und hernach gleich auch noch ihren Enthusiasmus in Frage stellt. In Jerusalem dann erklärt er die Wirtschaftsstärke Israels unter anderem mit der Kultur des Landes und setzt ausgerechnet das niedrige Pro-Kopf-Einkommen der Palästinenser dagegen. Am Montag schließlich reist er nach Polen. Schon vor Romneys Ankunft fragte die linksliberale "Gazeta Wyborcza": "Wird es weitere Patzer geben?"

Tatsächlich läuft es anfangs ganz gut für Romney. Er besucht die Danziger Werft, von hier ging der Freiheitskampf gegen den Sozialismus aus. Das ist Symbolik nach Romneys Geschmack. Hinzu kommt Ex-Arbeiterführer und Demokratieheld Lech Walesa, der im vergangenen Jahr ein Zusammentreffen mit Obama verweigert hat - und jetzt eine Wahlempfehlung für Romney abgibt: "Ich wünsche Ihnen Erfolg, denn die USA brauchen diesen Erfolg genauso wie Europa und der Rest der Welt."

Aber dann gibt es Ärger. Bei der Gewerkschaft Solidarnosc, deren Vorsitzender Walesa war, kam das Treffen mit Romney gar nicht gut an. Denn der Republikaner, so heißt es in einer Erklärung von Solidarnosc, unterstütze "Angriffe auf Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte". Auch sonst nicht gerade Enthusiasmus über den Romney-Besuch: Die konservative Zeitung "Rzeczpospolita" kommentiert unter der Zeile "Ohne Illusionen", Polen solle nicht zu große Hoffnungen mit einer möglichen Präsidentschaft Romneys verbinden. Der Besuch sei "zweifellos eine nette Geste, aber wir sollten dem Ereignis nicht zu viel Rang beimessen".

Mit der netten Geste hofft Romney, daheim Wähler in Swing States wie Michigan zu beeindrucken, Wähler mit polnischen Wurzeln. Seit Monaten profiliert er sich als Russland-Kritiker, hat Polens Nachbarn als Amerikas "geopolitischen Gegner Nummer eins" klassifiziert. Er wird das am Dienstag nicht zu erwähnen vergessen, wenn er in Warschau mit Präsident und Außenminister berät und einen Vortrag zum Wert der Freiheit hält.

Kann er seine missglückte Reise damit noch retten? Wohl kaum. Wie von der Europa-Tour des Kandidaten Obama im Jahr 2008 dessen große Rede vor Berliner Siegessäule und 200.000 Zuhörern in Erinnerung geblieben ist, so werden bei Romney all die Patzer hängen bleiben.

Besonders bitter schon der Auftakt in London. Da handelt sich Romney nach seiner Kritik sogar eine Rüge von Briten-Premier David Cameron ein. Der sagt mit Blick auf die von Romney im Jahr 2002 gemanagten Winterspiele in Utah: "Es ist natürlich leichter, wenn man Olympische Spiele in der Mitte des Nirgendwo ausrichtet." Und später plaudert Romney auch noch ein geheimes Treffen mit dem Chef des britischen Geheimdienstes MI6 aus.

Ärger mit den Palästinensern

In Israel setzt Kandidat Romney auf markige Worte. Romneys Ziel: Er will endlich bei jüdischen Amerikanern punkten, Amtsinhaber Obama hat in dieser Wählergruppe laut Gallup-Umfrage einen besonders großen Vorsprung: 68 zu 25 Prozent. Aber ebenso geht es Romney um die Stimmen der Evangelikalen, die scharfe Rhetorik in Sachen Nahost goutieren.

Doch es läuft nicht. Bei einem Auftritt vor gut 40 Spendern in Jerusalems King David Hotel spricht Romney über die Wirtschaftskraft Israels, die "der Kultur und einigen anderen Umständen" zu verdanken sei. Und dann zieht Romney den Vergleich zu den Palästinensergebieten: Das mehr als doppelt so hohe Pro-Kopf-Einkommen der Israelis lasse einen extremen Unterschied wirtschaftlicher Stärke erkennen. Kulturelle Überlegenheit? Oh weh. "Grob falsch interpretiert", wird später Romneys Sprecherin sagen.

Doch dieser Vergleich - der den Zahlen der Weltbank zufolge überdies noch falsch ist, weil Israels Pro-Kopf-Einkommen gut das 20fache des palästinensischen ausmacht - erzürnt die Palästinenser: "Das ist ein rassistisches Statement", sagt Sajeb Erakat, Unterhändler von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Romney sehe nicht, "dass die palästinensische Wirtschaft ihr Potential aufgrund der israelischen Besatzung nicht ausschöpfen kann". Über die Politik auf palästinensischer Seite spricht Erakat freilich nicht, aber Romney hat den Nahost-Fettnapf ja auch voll erwischt: "Es scheint mir, dass diesem Mann Informationen, Wissen, Vorstellungskraft und das Verständnis für diese Region und ihre Menschen fehlen."

Es ist ein verwirrender Auftritt, den Romney da in Nahost hinlegt. Zum weiteren Ärger der Palästinenser bezeichnet er Jerusalem als Israels Hauptstadt, die US-Botschaft würde er gern von Tel Aviv dorthin verlegen. Dabei wird doch die israelische Annexion des Ostteils der Stadt selbst von den USA bisher nicht anerkannt. Auch republikanische Präsidenten wie Ronald Reagan oder die beiden George Bushs haben diese Politik verfolgt.

Plötzlich steht die Frage im Raum: Hat Romney überhaupt die Statur fürs höchste Amt?

Im Weißen Haus nehmen sie den Mann dankbar ins Visier: "Es ist klar, dass es da einige Leute gibt, die auf diese Kommentare schauen und sich ein wenig am Kopf kratzen", erklärt ein Obama-Sprecher. Deutlicher noch das Statement des Wahlkampfteams: Die Reise des Herausforderers werde von einer "Serie von Fehlern" überschattet. Damit nicht genug, lobt ausgerechnet noch Israels Verteidigungsminister Ehud Barak den US-Präsidenten: "Die Regierung Obama hat Beispielloses für Israels Sicherheit getan."

Somit könnte Romney in den vergangenen Tagen so einiges für Obamas Wiederwahl-Chancen getan haben.