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Syrien nach Assad-Sturz Joschka Fischer fürchtet noch mehr Blutvergießen

Das syrische Regime wankt, jetzt warnt Joschka Fischer: Auf Assad werde weder Frieden noch Demokratie folgen - vielmehr rechnet der ehemalige Außenminister mit Chaos, Religionskämpfen und einem stärkeren Streben Irans nach der Atombombe.
Joschka Fischer (Archivbild): "Ein Sturz von Assad wird nicht den ersehnten Frieden bringen"

Joschka Fischer (Archivbild): "Ein Sturz von Assad wird nicht den ersehnten Frieden bringen"

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Berlin - Assad muss weg, lautet das Credo westlicher Staaten. Doch was kommt danach? Der ehemalige Außenminister Joschka Fischer (Grüne) zeichnet in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" ein düsteres Bild: An die Stelle des syrischen Machthabers Baschar al-Assad und seiner Diktatur werde "keine westlich geprägte Demokratie mit Rechtsstaat" treten. Ein Sturz des Staatschefs werde nicht den ersehnten Frieden bringen.

Fischer erwartet stattdessen "noch chaotischere Zustände". "Das Blutvergießen wird weitergehen", schreibt er. Grund für die anhaltende innenpolitische Gewalt sei, dass dann die Zeit der Abrechnung mit den Stützen des Regimes und ihren Anhängern beginnen werde. "Und dabei werden nicht nur die offenen Rechnungen zwischen den Anhängern und Gegnern des Regimes beglichen werden, sondern auch die zwischen den unterschiedlichen Clans und Religionsgemeinschaften", so Fischer.

Nach dieser Abrechnung könnten die sunnitischen Muslimbrüder die Herrschaft übernehmen, prognostizierte der Ex-Außenminister. Die "Einflussmöglichkeiten von außen" schätzt er als gering ein. Die ungewisse Zukunft führe zudem zu einer "regionalen Kriegsgefahr, schon wegen der Chemiewaffen des Landes", heißt es in der "Süddeutsche Zeitung".

Fischer rechnet zudem mit erheblichen Auswirkungen auf die regionale Machtverteilung in der Region zwischen der Türkei, Iran und Saudi-Arabien. Sollte Assad abgelöst werden, wäre das aus Sicht des früheren Vizekanzlers eine "kaum noch gutzumachende strategische Niederlage" für Iran, da Teheran seinen einzigen Verbündeten in der Region verlöre. Deswegen könne Iran sich "in die Ecke gedrängt fühlen" und sein Streben nach der Atombombe intensivieren, befürchtet Fischer.

Wie sich ein Sturz Assads auf die Sicherheit Israels auswirken werde, sei indes ungewiss. "Der Nahost-Konflikt wird mehr und mehr religiös aufgeladen werden. Kompromisse werden dadurch schwieriger, und die Hamas, die palästinensischen Islamisten, werden dadurch erheblich gestärkt werden", schreibt Fischer. Möglicherweise ergäben sich aber auch neue Chancen zur Lösung des Nahost-Konflikts.

Fischer war von 1998 bis 2005 Außenminister der rot-grünen Koalition. Heute verdient er sein Geld als Berater.

lgr/dpa/dapd