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Houston: Amerikas Hauptstadt von Öl und Gas

Foto: SPIEGEL ONLINE

US-Wahlkampf Öl-Giganten mobilisieren gegen Obama

Die texanische Millionenmetropole Houston gilt als Energiehauptstadt der Welt. Damit das so bleibt, setzt die Branche jetzt alles daran, den Mann aus dem Amt zu jagen, den sie als ihren größten Gegner sieht: US-Präsident Barack Obama. Ein Besuch im Herzen der Öl-Macht.

Lane Sloan wäre gerade lieber woanders. Auf seiner Ranch nämlich, im Norden. Houston versinkt in Regenfluten, wie es sie hier seit Jahrzehnten nicht gab, und er möchte nach seinen Pferden schauen. "Sind nur ein paar Pferde", wiegelt er ab, "mehr nicht". Doch erst mal muss er sich ums Geschäft kümmern.

Sloans Geschäft ist Houston - und alles, was Houston ausmacht: Öl, Gas, Energie. Er ist der ultimative Insider in dieser Insider-Welt, war lange Top-Manager bei Shell, ist heute Berater und Sprachrohr der Wirtschaft. Wer wissen will, was die bewegt, muss mit Sloan sprechen.

Klar, er ist befangen, nicht zuletzt als Co-Chef der Energy Collaborative, Houstons größter Industrielobby. "Houston ist die globale Energiehaupstadt", sagt er. "Und wir werden dafür sorgen, dass das so bleibt." Womit auch schon die Fronten gezogen wären im Kampf gegen denjenigen, von dem sie glauben, dass er ihnen dabei im Weg steht - Barack Obama.

Unser Wahlkampf-Roadtrip durch Amerika hat uns in einen gläsernen Wolkenkratzer in Houston geführt, der größten Metropole von Texas und dem Herz der US-Ölbranche. Draußen gehen so ungewöhnlich schwere Gewitter nieder, dass Teile der Downtown unter Wasser stehen. Klimawandel? Sloan lacht: "Da gibt es viele unterschiedliche Meinungen."

Was nicht der einzige Punkt ist, bei dem sich in Houston manche in krassem Widerspruch zum US-Präsidenten finden. "Die gesamte Industrie ist bekümmert über Obamas Energiepolitik", sagt Sloan diplomatisch. "Viele Leute würden sagen, dass er in diesen Dingen ganz schön naiv ist."

Mit Houstons Wirtschaftsmacht kann Obama diesmal nicht rechnen

Weniger diplomatisch ist dies: 6,7 Millionen Spenden-Dollar hat die Energiebranche dieses Jahr schon in den US-Wahlkampf investiert. An Obama gingen 990.000 Dollar, an Mitt Romney fast drei Millionen Dollar. Hinzu kommen die unregulierten Geldmaschinen der Super-PACs.

Viele Feinde Obamas finden sich in Houston. Obwohl es seit 1982 von Demokraten regiert wird, derzeit Annise Parker, der ersten offen lesbischen Bürgermeisterin einer amerikanischen Millionenstadt. Auch bei den Kongresswahlen 2010 hielt sich Houston als eine der wenigen demokratischen Oasen in der massiv republikanischen Prärie von Texas.

Mit Houstons Wirtschaftsmacht aber und deren Rückhalt kann Obama diesmal nicht rechnen. Warum, das erklärt Sloan, 65, der mit seinen weißen Schläfen aussieht wie Jock Ewing, der Öl-Patriarch aus der alten TV-Serie "Dallas".

Sloan rasselt eine Litanei an Beschwerden herunter. Etwa die staatlichen Strafaktionen nach der Havarie der Ölplattform "Deepwater Horizon": Wie teuer das Desaster für BP letztendlich werden könnte, ist noch nicht abzusehen. 37,2 Milliarden Dollar hat der Konzern aber zurückgelegt.

Außerdem: Die weiterhin erschwerten US-Bohrgenehmigungen, die Blockade der Pipeline "Keystone XL", die wachsende Bürokratisierung und Regulierung des Geschäfts. Sloan könnte lange so weiter schimpfen. Klar, dass die Branche gegen Obama mobilisiere: "Sie will im November einen Machtwechsel."

"Wir sind unabhängig vom Rest Amerikas"

Die Wut reicht weit. 5000 Energiekonzerne sitzen in Houston, darunter ConocoPhillips, Halliburton und die US-Ableger von BP und Shell. Die Hälfte der kommunalen Wirtschaft ist "energiegebunden". Das ist eine Macht, die sich so schnell nicht zähmen lässt. Weder von erneuerbaren Energien noch von sinkenden Ölpreisen oder Öko-Desastern - oder Obama.

Selbst von der Rezession nicht. Houston rutschte als letzte US-Großstadt in die Krise und kam als erste wieder daraus frei, dank der Energieindustrie. Die Arbeitslosenquote liegt mit 7,1 Prozent weit unter dem US-Wert. "Wir sind unabhängig vom Rest Amerikas", freut sich Sloan. "Wir sind ein globaler Player."

Zeichen der Zeit. Amerika ächzt unter der anhaltenden Wirtschaftsflaute, doch der in Texas beheimatete Multi Exxon Mobil machte im ersten Quartal 2012 9,5 Milliarden Dollar Gewinn. Das sind 104 Millionen Dollar pro Tag.

Mehr noch: "Wir stecken mitten in einer Revolution", sagt Sloan. Damit meint er die neuen Technologien zur Öl- und Gasförderung, die die Macht der Branche weiter konsolidieren könnten. Auch wenn Umweltschützer und demokratische Politiker ihnen dabei "noch ein bisschen Probleme machen". Doch das könnte sich nach den Wahlen im November ja ändern.

"Romney statt Obama, ganz eindeutig"

Darauf hofft auch Bud Shook. Shook ist der Ortschef des American Petroleum Institute (API), der größten Öl-Lobby der USA. Die gab voriges Jahr fast neun Millionen Dollar aus, mehr als je zuvor, um Politiker und Wähler zu "erziehen", wie Shook es nennt. Sprich: um lästige Gesetze, Regulierungen und Vorschriften zu verhindern, beispielsweise zum Umweltschutz.

Die Loyalitäten werden nicht geheim gehalten: API-Präsident Jack Gerard ist einer der engsten Wirtschaftsberater Romneys. Er gilt als Kandidat für den Posten des Stabschefs im Weißen Haus, sollte Romney gewinnen.

Shook spielt die Bedeutung seiner Gruppe herunter. Die Houston-Filiale des API sei nichts als eine "gemeinnützige Organisation", die Wohltätigkeitsveranstaltungen organisiere: Turniere, Rodeos, Schießwettbewerbe, "typisch Texas". Das Geld komme Studenten zugute.

"Romney statt Obama, ganz eindeutig", sagt Shook, ein gebürtiger Texaner. Allein dieses Gerede vom Klimawandel: "Sind wir völlig dafür verantwortlich? Das glaube ich nicht."

Doch egal, wie die Wahl ausgeht: Die Öl- und Gasbranche werde sich nicht ausrotten lassen. "Wir existieren seit hundert Jahren", sagt Shook. "Wir werden nicht so schnell verschwinden."