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Aufstand gegen Diktator Assad: Der Grenzposten der Rebellen

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Aufstand gegen Assad "Wir sind die neue Regierung"

Die syrischen Rebellen strotzen vor Selbstbewusstsein. Nur 40 Kilometer vom hart umkämpften Aleppo entfernt haben sie ihre Flagge gehisst. Das Syrien von Diktator Assad existiert für sie nicht mehr - sie haben bereits ihren eigenen Staat eingerichtet.

Nur 40 Kilometer vom brutal umkämpften Aleppo gibt es Baschar al-Assads Syrien nicht mehr. Über dem Grenzposten Al Salama zur Türkei weht die Fahne der Aufständischen. Rebellenchef Zakkaria Ahmad steht in Jeans und Sandalen an der Grenze und empfängt eine Delegation aus der Türkei, die sich erstmals auf die andere Seite wagt: Yusuf Odaba, der Gouverneur der Provinz Kiliz, und Asim Güzelbey, Bürgermeister von Gaziantep.

Die Türken und Syrer diskutieren über die Flüchtlinge, die täglich aus Aleppo kommen - die türkischen Flüchtlingslager sind überfüllt. Rebellenchef Ahmad sagt, man habe auch auf der syrischen Seite Flüchtlinge untergebracht. Aber es mangle an allem, insbesondere Brot, Wasser und Kochgas. Er hoffe auf Hilfe der türkischen Nachbarn.

Wo die Flüchtlinge in Syrien leben, verrät später ein anderer Rebell: Man bringe sie in der Nähe im Ort Aasas in Häusern unter, die vorher Alawiten gehörten. Inwiefern die einstigen Besitzer freiwillig gingen oder möglicherweise umgebracht wurden, verrät er nicht. Die Worte "Alawit" und "Regime-Vertreter" benutzt er, als seien sie Synonyme.

Nicht mehr Präsident eines Landes

Das Regime von Syriens Präsidenten Assad zerfällt. Im Norden des Landes richtet sich bereits ein zweiter Staat ein, geführt von der Freien Syrischen Armee, wie sich der Dachverband der syrischen Rebellenkämpfer nennt. Ein paar Dutzend Kilometer weiter südlich scheint es, als könnten sich die Aufständischen in Aleppo behaupten - die Wirtschaftsmetropole und größte Stadt Syriens. Assad ist nicht mehr Präsident eines Landes: Er ist Warlord von zunehmend konfessionell agierenden Milizen, die in Teilen der großen Städte und an der Küstenregion noch das Sagen haben.

Aleppo: Die umkämpfte Stadt

Aleppo: Die umkämpfte Stadt

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Am Rebellen-Grenzpunkt treffen drei Flüchtlingsautos aus Aleppo ein, die in die Türkei weiter wollen; sie kommen aus Assads Syrien: Anders als die Aufständischen an der Grenze wollen sie nicht, dass man sie fotografiert oder ihre Namen veröffentlicht. In Hananu und Dschdideh, den beiden Stadtteilen Aleppos, aus denen sie stammen, werde inzwischen weniger geschossen, aber es gebe kaum noch Essen, berichten sie. Mittlerweile würden die Aufständischen 60 bis 80 Prozent der Stadt kontrollieren.

Als keiner der Rebellen in der Nähe ist, fügen sie hinzu: "Die Sicherheitssituation in der Stadt ist schlecht" - egal ob Rebellen oder Vertreter des Regimes ein Stadtviertel kontrollieren. Die Freie Syrische Armee sei ihnen aber lieber als die Milizen. Am Mittwoch hatten Rebellen offenbar mehrere Männer, die sie für regimetreu hielten, in Aleppo hingerichtet.

"Wir müssen auf unser Image achten"

Der Chef des Grenzpostens, Ahmad, und ein paar Rebellen kommen hinzu. Sie laden das Gepäck der Geflohenen aus und öffnen die Koffer - Zollkontrolle. Ein anderer Rebell bringt die Reisepässe ins Büro des Grenzpostens. Dort sitzt Abdulrahman am Computer und überträgt feinsäuberlich Name, Geburtsjahr, Geschlecht und Herkunft der Flüchtlinge in eine Excel-Tabelle. Internet hat er auch - über einen türkischen Anbieter. "Wir schaffen es, eine Revolution durchzuführen, dann schaffen wir es natürlich auch, die Grenze ordentlich zu kontrollieren", sagt Abdulrahman. Fax, Drucker, Klimaanlage, Fernseher - alles ist noch da. Lediglich die Porträts von Präsident Assad sind verschwunden.

"Wir müssen auf unser Image achten", sagt Zakkaria Ahmad, "wir müssen dem Ausland zeigen, dass wir in der Lage sind, die Kontrolle zu behalten." Nachdem die Freie Syrische Armee vor knapp zwei Wochen die Assad-Truppen aus den Grenzposten vertrieben haben, hatten sich in der vergangenen Woche kurzzeitig Kriminelle und Dschihadisten dort eingerichtet - und weltweit Schrecken ausgelöst. In Syrien sind inzwischen eine Vielzahl bewaffneter Gruppen unterwegs, darunter auch ausländische Dschihadisten und al-Qaida.

Vom Händler zum Rebellenchef

Ahmad weiß genau, wie wichtig der Eindruck ist, den die neuen syrischen Aufständischen dem Ausland vermitteln. Ein Syrien ohne Assad ist noch immer kaum vorstellbar ohne internationale Unterstützung. Der Rebellenchef redet nun von einem freien und demokratischen Syrien und davon, dass er wieder zum Zivilisten werde, sobald der Krieg vorbei sei. Er wolle in seinen Kiosk zurückkehren, ein paar hundert Meter von der Grenze entfernt. Ahmad war Händler, bevor der Aufstand ihn erst zum Rebellenchef und dann zum Verantwortlichen des Grenzpostens Al Salama machte.

Dass Assads Truppen zurückkommen könnten, glaubt er nicht. "Niemals. Baschar kann nicht einmal mehr Damaskus verlassen. Wir sind die neue Regierung."