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Verfassungsentwurf Ägyptens Islamisten beharren auf Scharia

Ägyptens Islamisten setzen sich durch: Eine Allianz aus Muslimbrüdern und Salafisten hat im Gremium mit der Abstimmung über den Verfassungsentwurf begonnen. Einer der ersten Punkte war die Bestätigung, dass die islamische Rechtsordnung Scharia Grundlage der Justiz bleibt.
Mursi-Anhänger in Kairo: Neue Verfassung im Hauruck-Verfahren

Mursi-Anhänger in Kairo: Neue Verfassung im Hauruck-Verfahren

Foto: ASMAA WAGUIH/ REUTERS

Kairo - Die verfassungsgebende Versammlung in Ägypten hat am Donnerstag mit der Abstimmung über ihren Entwurf für eine neue Verfassung begonnen. Die Mitglieder des Gremiums stimmten über jeden Artikel einzeln ab.

In der Versammlung geben die Muslimbrüder und die radikalislamischen Salafisten den Ton an. Die liberalen und linken Mitglieder hatten sich bereits aus Protest gegen die aus ihrer Sicht mangelnde Kompromissbereitschaft der Islamisten aus dem Gremium zurückgezogen. Dennoch können die Islamisten den Entwurf vermutlich in zweiter Lesung durchbringen, weil dann eine geringere Zahl an Ja-Stimmen ausreicht.

Die Abstimmung wurde live im Fernsehen übertragen. Einer der ersten Punkte, über die die Versammlung abstimmte, war die Scharia als Rechtssystem. Sie wird demnach juristische Grundlage bleiben.

Die Muslimbruderschaft hatte am Mittwoch kurzfristig beschlossen, die ursprünglich für Mitte Dezember vorgesehene Abstimmung über den Entwurf vorzuziehen. Damit wollen sie den Streit um den autoritären Kurs von Präsident Mohammed Mursi beenden. Dieser will am Donnerstagabend eine Fernsehansprache halten.

Die Erklärung, mit der der Präsident seine Machtbefugnisse für die Zeit bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung ausweitete, hatten Oppositionsparteien und ein Teil der Richterschaft als "Staatsstreich eines neuen Diktators" kritisiert. Tagelange Proteste und ein Streik der Richter waren die Folge.

Neue Verfassung im Hauruck-Verfahren

Dass die Abstimmung über die Verfassung jetzt im Hauruck-Verfahren durchgezogen wird, ist aus Sicht der Mursi-Gegner keine gute Entwicklung. Denn der Entwurf wurde in seiner überarbeiteten Version vor der Abstimmung nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Der Entwurf schränkt nach Auskunft von ehemaligen Mitgliedern des Komitees die Rechte der Frauen ein, beschneidet die Kompetenzen der Justiz und gibt den Religionsgelehrten Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess. Außerdem werden alle früheren Mitglieder der einstigen Regierungspartei mit einem politischen Betätigungsverbot für zehn Jahre belegt.

Nach der Abstimmung soll der Entwurf Präsident Mursi vorgelegt werden. Binnen einiger Wochen soll dann in einer Volksabstimmung endgültig über die Verfassung entschieden werden.

Den Islamisten dürfte es jedoch schwerfallen, dieses Referendum zu organisieren. Denn in Ägypten führen bei Wahlen traditionell die Richter die Aufsicht. Die Mehrheit der Richter lehnt den Verfassungsentwurf ab. "Die Richter haben schon erklärt, dass sie sich weigern, dieses Referendum zu überwachen", sagte der Strafrichter Amir Ramsi im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa.

Ramsi kritisierte außerdem den seiner Ansicht nach sehr intransparenten Verfassungsprozess. "Der Verfassungsentwurf ist der breiten Öffentlichkeit bislang völlig unbekannt. Er war nur an einige Parteien, an die Kirchenführung und an einige Nichtregierungsorganisationen verteilt worden."

ffr/Reuters/dpa