Politik

Streit um abgefangenen Jet eskaliert Putin sagt Reise in die Türkei ab

Der Syrien-Konflikt führt zu immer weiteren internationalen Verwerfungen. Türkische Kampfjets zwingen ein syrisches Passagierflugzeug zur Landung in Ankara und finden dort angeblich hunderte Kilo Militärgüter. Moskau widerspricht - und sagt gleich eine Reise Putins in die Türkei ab.

Der syrische Passagierjet wurde in Ankara durchsucht.

Der syrische Passagierjet wurde in Ankara durchsucht.

(Foto: AP)

Russland hat von der Türkei eine Erklärung für die Intervention gegen ein syrisches Flugzeug gefordert. "Wir sind besorgt, dass diese Notsituation das Leben und die Sicherheit der Passagiere gefährdet hat, unter denen 17 russische Bürger waren", erklärte das Außenministerium in Moskau. Zugleich sagte Kremlchef Wladimir Putin eine für Montag geplante Türkei-Reise ab, wie sein Sprecher Dmitri Peskow mitteilte.

Nach offiziellen Angaben kann sich Putin wegen anderer Termine nicht mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan treffen. Die Zeitung "Wedomosti" zitierte indes einen Kremlbeamten mit den Worten, Putin wolle sich in dem eskalierenden Konflikt zwischen Damaskus und Ankara nicht auf eine Seite stellen.

Noch ist unklar, was sich genau an Bord befand.

Noch ist unklar, was sich genau an Bord befand.

(Foto: dpa)

Die türkische Luftwaffe hatte am Mittwoch den syrischen Airbus auf dem Weg von Moskau nach Damaskus in Ankara zur Landung gezwungen. Nach Angaben der türkischen Regierung wurde an Bord eine "illegale Ladung" beschlagnahmt, die nach internationalen Regeln hätte gemeldet werden müssen. Die Maschine mit 35 Passagieren an Bord konnte am Donnerstagmorgen ihren Flug nach Damaskus fortsetzen.

Vor dem Außenministerium hatte bereits ein Vertreter der russischen Behörde für Rüstungsexporte versichert, das Flugzeug habe keine Waffen oder Waffenteile transportiert. Wenn Russland Militärausrüstung oder Waffen an Syrien hätte liefern wollen, wäre dies gemäß den Regeln, nicht auf illegalem Wege geschehen und "vor allem nicht mit Zivilisten an Bord des Flugzeuges", sagte der Vertreter der Rüstungsexportbehörde der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Er verwies darauf, dass Russland seine Militärkooperation mit seinem Verbündeten Syrien trotz des seit März 2011 andauernden Aufstands gegen Staatschef Baschar al-Assad nicht eingestellt hat.

Im Widerspruch zu den Beteuerungen aus Moskau stehen türkische Presseberichte, nach denen die Ermittler in Ankara an Bord des Jets rund 300 Kilogramm militärische Güter entdeckten. Dabei könnte es sich um Raketenteile handeln. Adressat der von der Türkei beschlagnahmten Fracht sei das syrische Verteidigungsministerium gewesen, berichteten die Zeitung "Star" und andere Medien.

Diplomatisches Gepäck durchsucht

Wie die Zeitung "Hürriyet" meldete, löste die Untersuchung der Fracht auf dem Flughafen von Ankara einen Streit zwischen türkischen Behördenvertretern und russischen Diplomaten aus. Die russischen Vertreter protestierten demnach gegen die Öffnung von Behältern, die als diplomatisches Gepäck deklariert und versiegelt waren. Die mutmaßlichen militärischen Güter seien in separaten Paketen innerhalb dieser Behälter gefunden worden.

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu warf Russland indirekt vor, die syrische Führung mit Waffen zu beliefern und dafür Zivilflugzeuge zu missbrauchen. "Wir sind entschlossen, Waffenlieferungen an ein Regime zu kontrollieren, das solch brutale Massaker an der Zivilbevölkerung verübt", sagte Davutoglu. Nach Geheimdienstinformationen habe sich "nicht-zivile Fracht" an Bord befunden. Diese dürfe laut den internationalen Bestimmungen nicht in einem Zivilflugzeug transportiert werden, so die türkische Regierung. Es sei nicht hinnehmbar, dass der türkische Luftraum für solche Lieferungen benutzt werde.

Syrien kündigte nach türkischen Medienberichten inzwischen eine Beschwerde gegen die Türkei bei der internationalen Luftfahrtbehörde an. Der syrische Verkehrsminister Mahmud Said warf der Türkei "Luftpiraterie" vor. Das Abfangen eines syrischen Verkehrsflugzeugs durch die türkische Luftwaffe verletze internationale Verträge über die zivile Luftfahrt, zitierte der libanesische Sender Al-Manar den Minister.

Granaten im Grenzgebiet

Die Beziehungen zwischen Ankara und Damaskus sind ohnehin in den vergangenen Tagen auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Die Lage an der Grenze eskalierte durch den Beschuss von türkischem Territorium durch syrische Artillerie und darauf folgende türkische Vergeltungsschläge. Der türkische Generalstabschef Necdet Özel drohte Syrien mit "noch heftigeren" Reaktionen, falls der Beschuss anhalten sollte.

Die türkischen Behörden warnten außerdem die Fluggesellschaften des Landes davor, den syrischen Luftraum zu durchqueren. Der Luftraum über Syrien sei wegen der Unruhen im Nachbarland und wegen der in den vergangenen Tagen eskalierten Spannungen zwischen der Türkei und Syrien nicht mehr sicher, erklärte das Ministerium. Eine Maschine der halbstaatlichen Fluggesellschaft Turkish Airlines mit Mekka-Pilgern an Bord unterbrach nach der Warnung ihren Flug, weil sie über Syrien nach Saudi-Arabien fliegen sollte. Die Maschine landete außerplanmäßig im südtürkischen Adana.

China will sich nicht einmischen

China verteidigte indes seine zurückhaltende Position im Umgang mit der Krise in Syrien. Nach Gesprächen mit Außenminister Guido Westerwelle in Peking sagte der chinesische Außenminister Yang Jiechi, China verfolge eine "aktive und verantwortungsbewusste Haltung" und unterstütze den Sechs-Punkte-Plan des ehemaligen Vermittlers Kofi Annan.

"Wir verfolgen eine Außenpolitik der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder." Die Syrien-Frage müsse auf politischem Weg gelöst werden, betonte Yang Jiechi. "Wir freuen uns zu sehen, dass ein politischer Übergangsprozess unter Leitung des syrischen Volkes stattfindet." China ergreife in der Syrien-Frage keinerlei Partei. "Wir rufen die syrischen Parteien dazu auf, sofort das Feuer einzustellen und der Gewalt Einhalt zu gebieten und alsbald den politischen Dialog zu eröffnen."

Quelle: ntv.de, ghö/dpa/AFP/rts

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