Syrienkrieg mit ungleichen Mitteln Jeder Zweite hat keine Waffe
01.08.2012, 10:45 UhrIn Syrien feiern die aufständischen Truppen Erfolge in Aleppo und Damaskus. Regelmäßig melden sie, Kontrollposten der Regierung eingenommen zu haben. Dabei kämpfen sie mit absolut unterlegenen Mitteln. Doch für den Guerilla-Kampf haben sie sich schulen lassen.
Nach den Regeln der klassischen Kriegführung haben die Kämpfer der Freien Syrischen Armee (FSA) im Grunde keine Chance gegen die waffenstrotzenden Streitkräfte von Präsident Baschar al-Assad, und sogar über verfügt. Panzer, Kampfjets und Hubschrauber hat die FSA nicht. Zu ihrem Waffenarsenal zählen Schnellfeuergewehre, Sprengstoff, Blitzkommandos – und psychologische Kriegsführung.
"Ich habe den Oberbefehl über 12.000 Mann", sagt der Rebellenchef in der zentralsyrischen Provinz Hama, der sich den Kampfnamen Abu Ahmed zugelegt hat. "Nur die Hälfte von ihnen hat eine Waffe", fügt der FSA-Kommandeur hinzu. "Sie reichen ihre reihum weiter." Woher die vorhandenen Waffen im Einzelnen stammen, ist nicht leicht nachzuvollziehen. Nach ihrem eigenen Bekunden kaufen die FSA-Rebellen ihre Kampfausrüstung selbst, sofern sie sie nicht als Deserteure mitbringen oder den Regierungstruppen entringen.
Von einer wohlorganisierten Bewaffnung sind die Aufständischen in Hama jedenfalls weit entfernt. Diese Krieger sehen nicht so aus, als würden sie von ausländischen Mächten großzügig finanziert. Wenngleich mit allerlei militärischen Dienstgraden geschmückt, tragen sie allenfalls Raketenwerfer oder Schnellfeuerwaffen. Ihre Fahrzeuge sind verbeult und so klapprig, dass nicht sicher ist, bis zu welchem Ziel sie noch gesteuert werden können.
Revolutionäre aus Libyen liefern Guerilla-Know-How
"Es fehlt uns an allem", sagt Abu Ahmed. Keine panzerbrechenden Waffen, keine Flugabwehr. Was unter solchen Bedingungen jedoch funktioniert, ist der Guerilla-Kampf, der auch andernorts schon große Armeen ins Wanken brachte. "Was wir einsetzen können, sind Minen und Scharfschützen", sagt der Rebellenchef. "Wir zermürben kleine Gruppen von Soldaten, nehmen sie gefangen oder erschießen sie und eignen uns ihre Waffen an."
Einer der FSA-Offiziere führt Videos vor, die von seinen Leuten gedreht wurden. Zu sehen sind Allrad-Fahrzeuge der syrischen Armee, die über eine breite Straße donnern. Plötzlich gibt es Explosionen am Straßenrand, Splitter fliegen durch die Luft. "Wir haben Minen gebaut und in Serie geschaltet", sagt der Offizier namens Abu Abdo. Die Sprengsätze seien ferngezündet worden.
Auf einem anderen Video zeigen die Aufständischen, wie sie eine Brücke vermint haben. Als zwei russische T-72-Panzer auf die Brücke rollen, bricht diese durch eine Explosion weg, die Panzer stürzen ins Nichts. Das Know-how zum Bau der Minen und Fernzünder stammt laut Abu Abdo "von den Libyern". Diese hätten den FSA-Kämpfern gezeigt, wie mit Ammoniumnitrat und C-4-Sprengstoff umzugehen ist.
Die Spionage funktioniert
In der Bergkette Dschabal Schaschabu, welche die Ebene von Hama säumt, haben sich Abdallah Turk und seine 40 Kämpfer verschanzt. "Wir umzingeln Kontrollposten, wenn sie in Unterzahl sind", sagt der FSA-Kommandeur. "Wir fordern sie über Lautsprecher auf, sich zu ergeben - manchmal tun sie es, manchmal nicht..." Was im zweiten Fall geschieht, will Turk nicht näher beschreiben.
Die Kämpfer in den Bergen schlagen vor allem im Schutz der Nacht zu. "Wir brauchen keine Nachtsichtgeräte, wir kennen die Dörfer und die Straßen." Erbeutete Waffen werden genutzt, erbeutete Panzer zerstört.
Und dann ist da noch eine der gefährlichsten Waffen, die Spionage. "Wir haben in Assads Armee unsere Quellen", sagt der Spionage-Beauftragte von Abu Ahmed, Abu Jasser. Erst am habe die FSA bewiesen, wie weit ihre Arme reichen: Bei einem Selbstmordanschlag im Zentrum von Damaskus wurden .
Quelle: ntv.de, Marc Bastian, AFP